Auswandern: Leben und Arbeiten in Marokko

Didier Schmallong ist vor rund 14 Jahren nach Marokko ausgewandert und teilt seine Erfahrung auf seinem Blog. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, Leuten bei Ihrer Auswanderung nach Marokko zur Seite zu stehen und organisiert zudem Rundreisen. Von den Einheimischen wird er auch „Salamiberber“ genannt. Einen Spitznamen, den er erhalten hat, da Anreisende ihm gerne Salami mitbringen, da man diese nicht in Marokko kaufen kann. Auslandskarriere interviewte ihn:

Wie aus einer Woche Marokko für immer wurde

  • Um sich von Marokkos Schönheit inspirieren zu lassen, hat es für dich keine Tausend und eine Nacht gedauert, sondern ein einwöchiger Trip nach Agadir hat dich überzeugt, dass du wiederkehren möchtest. Wie sahen deine beruflichen und familiären Umstände damals aus, die dich dazu bewegten Deutschland für immer den Rücken zu kehren?

Eigentlich bin im Kreis Tuttlingen an der schwäbischen Alb aufgewachsen. Aus gesundheitlichen Gründen wurde mir dann aber eine Umschulung in der Medienbranche in Hamburg zugesprochen. Als meine Mutter verstarb, die ich neben meiner Arbeit in Hamburg aus der Ferne organisiert durch Nachbarn pflegen ließ, gönnte ich mir einen Urlaub. Ich schlug im Reisekatalog eine x-beliebige Seite auf und stieß auf Marokko. Zunächst fragte ich mich, wie dies überhaupt ausgesprochen wird. Was sollte ich in einem Land, wo ich nicht einmal Guten Tag sagen kann. Dort wird Französisch gesprochen, sagte mir die Dame im Reisebüro. Da ich einige Zeit in Frankreich lebte, konnte ich bereits gut Französisch.

Also buchte ich erst einmal eine Woche. Es gefiel mir so gut, dass ich gleich danach nochmals drei Wochen dazu buchte. Immer mehr verliebte ich mich in dieses Land. Kaum wieder in Hamburg, war mein Entschluss gefasst. Die Medienbranche ist harte Konkurrenz. Ich sah in Marokko die Armut, sah aber auch, dass Medien durch zensierte Berichte und Reisewarnungen, die meist nicht stimmen, ganze Kontinente vernichten. Dadurch entsteht Arbeitslosigkeit und Großkonzerne nisten sich ein und lassen die Menschen, wie Sklaven arbeiten. Selbst Pharmakonzerne, die bekanntlich keine gesunden Menschen mögen, kommen her. Die Minderheit in Europa erleidet den kalten Krieg an der eigenen Bevölkerung: zu kaufen gibt es alles, nur kaufen kann man es sich nicht. Im Vergleich sind die Menschen hier glücklicher mit dem wenigen was sie haben und so lebe ich mit ihnen.

Die Uhren ticken in Marokko anders

  • Fühlt sich Marokko immer noch nach Urlaub an?

Marokko ist ein sicheres Reiseland. Seit den 14 Jahren hier passierte weitaus weniger, als auf der ganzen Welt, oder einer Großstadt wie Hamburg an einem Tag. Die Menschen hier leben friedlich vereint miteinander, wie eine Großfamilie von Norden bis Süden. Ich lebe und arbeite mit den Berbern. Wir sind wie eine Familie. Die Uhren hier sind anders, wie in Europa. Wir haben hier die Zeit und Europa hat die Uhren und den Stress mit allen Nebenwirkungen. Wir haben kein Wochenende, aber eine Siesta ist auch Urlaub im Land der Sonne, die alle Wunden heilt.

  • Nachdem dein Restaurant-Traum zerplatzte, hast du dennoch einen Neustart gewagt und lebst heute glücklich in der Stadt Essaouira. Wenn du heute noch einmal von vorne anfangen könntest, was würdest du anders machen?

Mein Traum vom Restaurant in Taghazout in der Nähe von Agadir zerplatzte aufgrund falscher Beratung einer deutschen Auslandsvertretung. Ich dachte dort ist man gut aufgehoben und seit diesem Vorfall bin ich auch nur noch Deutscher auf Papier. Ein deutscher Herr, der hier schon ewig wohnte, vermittelte mir ein Restaurant in Taghazout. Er gab sich selbst als Ehrenamtlicher der Behörde aus. Das Chaos begann erst darauf als gewisse Herren sich mit Minderjährigen in meinem Restaurant niederließen und ich dies nicht duldete. Diese Männer schienen sehr reich und einflussreich zu sein und man versuchte mich von dort zu entfernen. Die nächsten Tage waren grauenvoll, aber die Marokkaner hielten zu mir und informierten heimlich den Kinderschutzbund „Touche pas enfants“ (fass mein Kind nicht an). Daraufhin folgten diverse Verhaftungen. Ich war der Kronzeuge bei Gericht und Journalisten interviewten mich. Hiervon erfuhr auch das Königshaus und ich wurde geehrt. Taghazout gab ich auf, aber in Essaouira wagte ich einen Neustart. Obwohl ich nichts mehr hatte, halfen mir einige Marokkaner bei meinem Neustart und sind heute wie meine Geschwister.

Niedrige Lebenshaltungskosten

  • Auf deinem Blog ist zu lesen, dass Marokko nichts für Leute ist, die einen Job suchen, sondern sich selbstständig gemacht haben oder dies noch vorhaben. Wie teuer sind die Lebenshaltungskosten in Marokko, wenn man zum Beispiel ein Online-Business betreibt und in Euro verdient oder bereits genügend Rente zur Verfügung hat? 

Wer nach Marokko ziehen möchte, lebt hier etwa sechsmal günstiger als in Europa. Schon für 200 Euro bekommt man hier eine Wohnung mit etwa 80 Quadratmeter und für Nebenkosten zahlt man in etwa 10 Euro pro Monat. Eine Villa mit Garten kostet um die 500 Euro. Wer selbst am Herd gerne steht, braucht im Monat etwa 200 Euro an Lebensmittel pro Erwachsener. In den Restaurants kostet ein Essen ca. 5 Euro und für einen Kaffee zahlt man umgerechnet 80 Cent. Bei einer Rente von etwa 900 Euro, lebt man hier wie ein Prinz oder eine Prinzessin. Zahn- und Arztbesuche kosten im Schnitt 20 Euro. Wer unter 60 ist und nach Marokko auswandern möchte, kann eine private Krankenkasse für etwa 400 Euro pro Jahr abschließen. Man muss allerdings nicht gleich zum Arzt gehen, denn Apotheke sind hier sehr gut ausgebildet und man bekommt alle Medikamente in der Apotheke.

Einen Job darf man hier nicht annehmen, denn Arbeit ist den Einheimischen vorbehalten. Wer hier die Aufenthaltsgenehmigung beantragt, muss ein Devisenkonto eröffnen und mindesten 800 Euro (je nach Region) vorweisen können. Der Staat sichert sich ab, Sozialleistungen gibt es nur für Einheimische. Um Geld zu verdienen, kann man sich selbstständig machen. Wer seine Ideen verwirklichen will, hat hier freien Lauf. Allerdings muss man sich auf viel Papierchaos bei den Behörden vorbereiten, aber daran gewöhnt man sich mit der Zeit.

Marokko ist zweifelsfrei Teil des Orient

  • Was würdest du jemandem empfehlen, der noch nie in Marokko war, aber plant dorthin auszuwandern? Wo sollte die Orientierungsreise hingehen?

Marokko ist ein beliebtes Urlaubsland. Jeden Tag erlebt man hier die Vielfalt der Natur und der Menschen und die innere Ruhe erwacht in jedem. In den Metropolen wie Agadir, Marrakesch oder den Touristenhochburgen wird man Marokko nicht wirklich wahrnehmen können. Außerdem ist es dort nicht gerade günstig zum Leben. Auswanderungswillige, die auf meinen Blog stoßen, rate ich einen Kurzurlaub. Pro Monat betreue ich maximal drei getrennt anreisende Besucher. In dieser Zeit unternehme ich Tagesausflüge und besuche mit ihnen Berberfamilien. Bei allen Behördenangaben stehe ich zudem zur Seite. Wir unternehmen kleine Rundreisen um die Region Essaouira. Es ist eine traumhafte Kleinstadt mit etwa 80.000 Einwohnern. Viele Künstler leben in Essaouira und selbst Jimmi Hendrix verweilte hier eine geraume Zeit. Es wurden schon viele historische Filme wie Alexander der Große, Games of Thrones, Otello und viele andere in Essaouira gedreht. Das Umland ist wunderschön und ich besuche mit den Leuten, die mich aufsuchen, die Naturkulissen dieser Filme. Selbst ich bin an einem Drehbuch aktiv und suche noch eine Redaktion, die Interesse hat.

  •   Viele Marokko-Urlauber wissen, dass Marokkaner etwas aufdringlich sein können, wenn es um das Handeln auf den einheimischen Märkten geht. Für wen wäre Marokko nichts?

Wenn ich mich noch an meine Zeit in Deutschland erinnere und wie dort Ware beworben wird und ich jeden Tag den Briefkasten mit Prospekten leeren musste, dann denke ich, dass dies nerviger ist als der Handel auf den Märkten hier. Marokko ist nun mal Teil des Orients und ein jeder muss sein Brot verdienen. Ich finde es nicht nervig und mit einem freundliches „Non, Merci“ wendet sich der Uhrenverkäufer oder Teppichhändler ab. Marokkaner unter sich haben nicht viel Erspartes und handeln eben.

  • Für wen wäre Marokko nichts?

Für Veganer ist Marokko nicht zu empfehlen. Tierliebe ist gut, aber die Natur regelt hier den Zyklus. Hier ist jeder Gast willkommen. Es liegt an jedem Einzelnen, was man sich hier aufbaut und wie man sich einlebt, egal ob Einwanderer oder Tourist. Vielen Leuten half ich bei der Umsiedelung, aber man kann es nicht jedem Recht machen.

Mehr zu Didier Schmallong finden Sie auf seiner Webseite „Marokko Auswanderer“.

Vielen Dank für das Interview!

Photo Credits Artikel: Didier Schmallong