Auswandern: Leben und Arbeiten in Kanada

Kanada-Auswanderer sind von der Natur des Landes begeistert. (Foto: Shutterstock)

Kanada beeindruckt durch seine gefühlt endlose Weite und atemberaubende Landschaften. Hier findet Jeder, was das Herz begehrt: lebendige Metropolen, das raue Klima der Rocky Mountains, heiße Sommer an den Great Lakes, knackige Winter im hohen Norden, Whalewatching und die höchsten Tidenhübe der Welt.

Doch nicht nur wegen seiner beeindruckenden Natur ist Kanada unter den zehn beliebtesten Auswandererländern der Deutschen, seine Bewohner zählen laut OECD auch zu den zufriedensten Menschen weltweit. Kein Wunder also, dass es jedes Jahr viele Deutsche nach Kanada zieht. Einfach in den nächsten Flieger steigen, geht allerdings nicht. Wer nach Kanada auswandern möchte, sollte am besten schon ein Jobangebot in der Tasche haben.

1Einreisebestimmungen

Als Deutscher ist die Einreise nach Kanada für Urlaube, Geschäftsreisen oder Auslandssemester für bis zu sechs Monate ohne Visum möglich, lediglich ein gültiger Reisepass sowie eTA (elektronische Einreiseerlaubnis) werden benötigt. Wer von einem deutschen Unternehmen nach Kanada entsendet wird, kann sich ebenfalls glücklich schätzen. Denn zwischen Kanada und Deutschland gibt es verschiedene Abkommen, sodass man nach Klärung aller notwendigen Formalia in der Regel relativ problemlos eine befristete Arbeitserlaubnis erhält.

Anders sieht es hingegen aus, wenn man auf eigene Faust nach Kanada auswandern möchte. Grundsätzlich gilt: Wer sich als ausländischer Staatsangehöriger länger als ein halbes Jahr in Kanada aufhalten möchte und hier auch arbeiten will, benötigt eine gültige Arbeitserlaubnis. Nur in seltenen Fällen ist diese nicht notwendig, einen Schnelltest kann man hier machen.

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2Auswandern nach Kanada

Mit einer festen Jobzusage eines kanadischen Unternehmens hat man die besten Karten für die Beantragung einer befristeten Arbeitserlaubnis. Im Rahmen der Antragstellung muss der zukünftige Arbeitgeber bestätigen, dass keine qualifizierte kanadische Fachkraft zur Verfügung steht. Bei Erfüllung aller notwendigen Voraussetzungen und nach Vorlage der erforderlichen Antragsunterlagen am Port of Entry (Grenze bzw. Flughafen) wird die befristete Arbeitserlaubnis gegen eine Gebühr direkt bei der Einreise nach Kanada ausgestellt.

Weitere Möglichkeiten für befristete Arbeitserlaubnisse:

  • International Experience Canada Program (IEC) für Personen zwischen 18-35 Jahren: Working Holiday Visum, International Co-op/Internship Visum oder Young Professional Visum für bis zu einem Jahr
  • Canadian Experience Class für Fachkräfte mit beruflicher Vorerfahrung in Kanada
  • Temporary Foreign Worker Program (TFWP), mit dem Fachkräftemangel ausgeglichen werden soll

Gut aufbereitete Informationen und Antragsunterlagen finden sich auf canada.ca und kanadavisum.com.

Wer sich dauerhaft in Kanada niederlassen und eine Permanent Residency beantragen will, hat verschiedene Einwanderungsprogramme zur Auswahl:

3Arbeitsmarkt und gefragte Jobs in Kanada

Die Beantragung der Arbeitserlaubnis klingt nicht nur kompliziert, sondern erfordert auch viel Energie, Geduld und Durchhaltevermögen. Doch der beschriebene Aufwand lohnt sich, denn aufgrund der niedrigen Arbeitslosenquote (2018: 5,8 %) zählt Kanada aus ökonomischer Sicht zu einem beliebten Auswanderungsziel. Besonders gefragt sind Fachkräfte in folgenden Berufsfeldern (Quellen: NAFTA, Randstad und Auslandsjob):

  • Medizin und Pharmazie (Ärzte, Krankenpfleger, Physiotherapeuten, Apotheker)
  • Baugewerbe (Architekten, Baumaschinenmechaniker, Kranführer, Schlosser, Dreher)
  • Handwerk (Elektrofacharbeiter, Schweißer, Klempner, Installateure)
  • Tourismus (Hotelfachkräfte, Köche, Kellner)
  • Rohstoffindustrie (Bergbau- und Bohrfachkräfte)

Fachkräfte aus diesen Bereichen haben sehr gute Aussichten, bei einem kanadischen Arbeitgeber unterzukommen.

4Tipps zur Jobsuche und Bewerbung in Kanada

Zahlreiche deutsche Unternehmen haben Standorte in Kanada. Gerade Berufseinsteiger, die im Ausland arbeiten möchten, sollten sich bei diesen internationalen Unternehmen bewerben. Viele „Global Player“ stellen Trainees ein, die in der Regel sechs bis zwölf Monate planmäßig im Ausland verbringen.

Gängige Online-Jobbörsen für Kanada sind unter anderem Job Bank, Indeed, Monster oder Canada Jobs. Darüber hinaus gibt es regionale oder berufsspezifische Jobsuchmaschinen. Auch über das berufliche Netzwerk LinkedIn kann zielgerichtet nach passenden Stellen gesucht werden.

Natürlich ist in Kanada eine entsprechende Bewerbungsetikette einzuhalten. Für den Erstkontakt reichen in der Regel Anschreiben (Cover Letter) und Lebenslauf (Resume), dennoch schätzen kanadische Arbeitgeber den persönlichen Kontakt. Daher sollte man sich definitiv vor oder nach dem Absenden der Bewerbung telefonisch bei dem Unternehmen melden. Fotos und persönliche Angaben sind aufgrund strenger Antidiskriminierungsrichtlinien nicht erwünscht, dafür jedoch Daten von Referenzen, die ggf. kontaktiert werden können. Förderlich in der Bewerbung sind Hinweise auf bereits vorgeleistete Arbeit in Sachen Arbeitserlaubnis und auch Kenntnisse der französischen Sprache. Außerdem spielen Engagement und ehrenamtliche Tätigkeiten in Kanada eine wichtige Rolle und sollten daher in der Bewerbung unbedingt aufgeführt werden.

5„I am so sorry. …, eh?“ – Typisch Kanada

„Hey, how are you? Oh, I love your shirt!“ Kanadier beginnen Gespräche fast immer mit einem Kompliment, die gegenseitige Wertschätzung wird regelmäßig zum Ausdruck gebracht. Das Miteinander ist sehr herzlich und von Freundlichkeit geprägt, Menschen unterschiedlicher kultureller Herkunft leben trotz teilweise großer Unterschiede friedlich miteinander. Niemand möchte dem anderen auf die Füße treten, daher wird sich so häufig entschuldigt, dass es sogar Gesetze dazu gibt, was „Sorry“ eigentlich bedeutet (Apology Act, 2009). Außerdem ist „eh“ ein Wort, das in Kanada nahezu inflationär am Satzende verwendet wird und soviel wie „nicht wahr?“ bedeutet.

Kanada ist nicht nur bekannt für seine Zweisprachigkeit, sondern auch für Ahornsirup und Poutine, Höflichkeit und Understatement, die positive Lebenseinstellung und das wertschätzende Miteinander, Tim Hortons, Hockey, friedliches Multikulti und gegenseitiger Respekt (Canadian Multiculturalism Day am 27. Juni), Individualismus und Gemeinschaftsorientierung, Begeisterung für ehrenamtliche Tätigkeiten und häufige Spendenaktionen, Robert Munsch, Justin Bieber und Alanis Morrisette, Potluck und BYOB (bring your own bottle).

6Lebensqualität in Kanada

Trotz einiger kultureller Unterschiede ist die Lebensqualität in Kanada und Deutschland vergleichbar. Mieten und Lebensmittel sind zwar teurer, jedoch immer noch erschwinglich. Zu beachten ist allerdings, dass in Geschäften und Restaurants meist nur die Netto-Preise angegeben werden. Dies sollte man im Hinterkopf behalten, damit es beim Bezahlen nicht zu einer unschönen Überraschung kommt.

Arztbesuche werden in der Regel von der Krankenversicherung getragen, jede Provinz und die Territorien haben hier ihre eigenen Systeme etabliert. Kosten für Medikamente und Zahnbehandlungen werden meist nicht übernommen, hier können Zusatzversicherungen abgeschlossen werden. Problematisch kann es sein, Arzttermine zu bekommen. Nach dem Umzug sollte man sich also schnellstmöglich einen Family Doctor (Hausarzt) suchen, denn die Wartelisten sind lang. Walk-in Clinics schaffen Abhilfe, denn dort sind ärztliche Konsultationen auch ohne Termin möglich.

Die Hygiene entspricht deutschen Maßstäben, zudem gibt es überall Spender mit Händedesinfektion. Die Trinkwasserversorgung ist einwandfrei – wenn auch der Geschmack nach Chlor zunächst gewöhnungsbedürftig ist. In öffentlichen Gebäuden, Parks oder auf Spielplatzen gibt es überall Trinkwasserspender sowie Toiletten. Auch in Restaurants muss für Tap Water nicht gezahlt werden. Dies bekommt man automatisch geliefert, genauso wie die Rechnung, wenn man auf zweifache Nachfrage keine Wünsche mehr hat.

7Familien in Kanada

Es ist auffällig wie familien- und kinderfreundlich Kanada ist – angefangen von sehr vielseitigen Spielplätzen, Kindermenüs in nahezu jedem Restaurant (diese werden ungefragt gebracht, es gibt Stifte und Ausmalbilder), Familienwaschräumen etc. Auch die Kindertageseinrichtungen haben lange geöffnet, denn anders als in Deutschland gibt es kaum Teilzeitstellen. Für Mütter gibt es Mutterschutz und Eltern können ein Jahr bezahlte Elternzeit in Anspruch nehmen.

Über das Jahr verteilt haben die Kinder lediglich eine Woche Ferien im März (March Break), einige gut verteilte Feiertage und sogenannte PA-Days, die Lehrer zur Weiterbildung nutzen. Allerdings gibt es zweieinhalb Monate Sommerferien. Da der Urlaubsanspruch der Eltern in der Regel bei 10-14 Tagen liegt, überbrücken viele Familien diese Zeit, indem sie ihre Kinder zu kostenpflichtigen Summer Camps anmelden.

(Foto: Shutterstock)

8Bildung in Kanada

Das Schulsystem in Kanada ist gut und das Bildungsniveau hoch, Systeme variieren je nach Provinz. Generell besuchen Kinder unter vier Jahren die kostspieligen Kindertageseinrichtungen (daycare) oder werden zuhause betreut. Ab dem 5. Lebensjahr kommen sie „in die Schule“, denn dann beginnt das kostenfreie öffentliche Schulsystem zunächst mit Junior und Senior Kindergarten.

Darauf folgen Elementary School, Middle School und Secondary High School. Eltern setzen sich sehr intensiv mit der Schulwahl auseinander, da an den Schulen entweder in Englisch, in Französisch (French Immersion) oder in Mischformen unterrichtet wird. Etwa 10 Prozent der Schüler besuchen Privatschulen, auch Home-Schooling ist erlaubt. Im Anschluss an die Schule werden Colleges (1-3 Jahre) oder Universitäten (Bachelor 3-4 Jahre, Master 1-2 Jahre, PhD mind. 3 Jahre) besucht.

9German Canadians

Bereits nach kurzer Zeit fällt auf, dass sehr viele Kanadier im Gespräch über ihre Verbindung zu Deutschland sprechen. Das ist nicht überraschend, wenn man die Ergebnisse einer Volkszählung aus dem Jahr 2006 betrachtet: hier hatten 10 Prozent der Gesamtbevölkerung angegeben, deutsche Vorfahren zu haben. Für diese Bevölkerungsgruppe wurde der Begriff „German Canadians“ geprägt

Während der Weltkriege begannen die deutschen Immigranten ihr kulturelles Erbe zu verstecken, ihre Sprache nicht mehr zu sprechen und sich immer stärker anzupassen. Außerdem wurden vormals deutsche Ortsnamen geändert (z.B. Berlin in Kitchener). Mittlerweile wird das deutsche Erbe wieder stärker gepflegt und so gibt es deutsche Tanzvereine, Teutonia Clubs, Oktoberfeste und Weihnachtsmärkte, die sich hierzulande großer Beliebtheit erfreuen.

10Weitere Informationen

Über die Autorin: Susan Höntzsch lebt seit 2017 mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern in Windsor, Ontario. Sie ist Diplom-Psychologin, Expat Coach sowie freie Autorin und unterstützt Deutsche weltweit bei ihrem Auslandsabenteuer. In Entsendetrainings taucht sie mit ihren Teilnehmern außerdem hautnah in die kanadische Kultur ein und teilt ihre große Begeisterung für das Land. Mehr Informationen zu internationaler Karriereplanung, Coaching und dem Leben in Kanada auf ihrem Blog oder Instagram.

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