Auswandern: Leben, Arbeiten und Jobsuche in Japan

Gastbeitrag:

[dropcap]D[/dropcap]enny Sachs lebt seit über zwei Jahren in Tokyo und arbeitet für ein tokyoter Start-up, das die deutsch-japanische Restaurantkette „SCHMATZ BEER DINING“ gegründet hat, im Bereich Restaurant-Management und Social Media-Coordination. Online findet man ihn unter dem Titel „Tokyo, der Moloch und Ich“, seinem Blog und seiner Facebook Page.

Unternehmen und Jobs für Deutsche

Bei Japan handelt es sich nicht nur um ein kulturell interessantes Land, sondern auch um die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Und das ungeachtet dessen, dass sich Japan seit fast drei Jahrzehnten in einer latenten Rezession befindet.

Doch Japan ist nicht sehr inklusiv, wenn es darum geht Ausländer in den Arbeitsmarkt oder die Gesellschaft zu integrieren und die Jobsuche kann zu einer echten Herausforderung werden.

Der Arbeitsmarkt in Japan

Die wirtschaftliche Aktivität konzentriert sich fast komplett auf ein paar Metropolen, wie Osaka, Nagoya oder ganz besonders Tokyo. In der Metropolregion Tokyo lebt fast ein Drittel des ganzen Landes. Das ist in etwa so, als würde halb Deutschland im Rhein-Main Gebiet (Frankfurt – Mainz) leben und arbeiten.

Dementsprechend hoch ist die Dichte an Firmen, Geschäften und Restaurants. Egal wo man geht und steht, überall gibt es etwas zu tun. Tokyo deckt so ziemlich die gesamte Bandbreite ab, was man arbeitstechnisch machen kann.

Neben weltbekannten japanischen Firmen wie Honda, Fujifilm, Sony oder Nintendo, hat auch jede namhafte große deutsche Firma einen Zweig hier wie Bosch, BMW, Mercedes oder Adidas. Letztere Firmen haben noch am ehesten Interesse an deutschen Arbeitern.

Die meisten japanischen Firmen hingegen, haben kein gesondertes Interesse an Deutschen, es sei denn, sie werden als Übersetzer, Dolmetscher oder Sprachlehrer gebraucht. Doch diese Arbeitsgelegenheiten sind nicht gerade zahlreich verfügbar und oft auch nicht sonderlich attraktiv.

Arbeitserlaubnis für Japan

Japan ist kein Einwanderungsland wie Deutschland oder die USA. Dementsprechend pickt sich Japan aus der Fülle an Ausländern die “Rosinen” heraus. Aufgrund des demografischen Wandels sieht sich Japan zwar gezwungen, die Hürden für Ausländer etwas zu senken, aber dennoch muss man sich auf viel Stress einstellen, wenn es darum geht eine Arbeitserlaubnis zu bekommen.

Generell sucht Japan Ausländer mit Hochschulabschluss und Skills, die für die japanische Wirtschaft nützlich sind. An Arbeitern hingegen, hat Japan wenig Interesse, es sei denn sie füllen akute Lücken in Branchen, die durch die Überalterung der Gesellschaft entstehen (z.B. in der Altenpflege oder in der Gastronomie).

Sehr viele Ausländer sind dadurch in der Praxis gezwungen Sprachlehrer oder Übersetzer zu werden und haben dadurch eher geringe Karriereaussichten.

Knackpunkt Sprache und Kultur

Wer nach Japan kommt und kein oder kein gutes Japanisch kann, wird locker etwa 90% aller Jobchancen aus der Hand geben und sich selbst von der Gesellschaft isolieren.

Viele reden davon, dass man mit einem JLPT N2 Level (zweithöchste Stufe des offiziellen Japanischkenntnistests) einen Job bekommen kann. In der Realität habe ich gemerkt, dass Firmen aber doch lieber Leute nehmen, die JLPT N1 Level haben und somit auf de facto Muttersprachlerlevel Japanisch sprechen können.

Ein weiterer Faktor ist natürlich die fremde Kultur, die selbst Leuten die jahrelang Japan studiert haben, noch Kopfzerbrechen bereiten kann. Und ich spreche nicht von Kleinigkeiten, wie dass man seine Stäbchen nicht senkrecht in den Reis steckt oder die Toilettenpantoffeln auf keinen Fall, außerhalb der Toilette tragen darf.

Ich rede von Businessetikette und kulturellem Feingefühl. Als Vorbereitung auf das JobHunting, haben wir ein Handbuch bekommen, in dem klar aufgeschlüsselt ist, welche unausgesprochene Sitzordnung im Meeting oder gar im Taxi einzuhalten ist und dass man sich für Fehler zu entschuldigen hat, ohne Rechtfertigung oder gar Widerrede. Mit all diesen Regeln haben selbst junge Japaner ihre Probleme.

Auch wer Freunde finden will, kommt nicht drum herum, mehr über Kultur und Sprache zu lernen, da ein Großteil der Bevölkerung kein oder kein gutes Englisch sprechen kann. Wer sich also der Integration verweigert, macht sich nicht unbedingt beliebt und ist stets auf Leute angewiesen, die Englisch können.

Sicher werden sich jetzt einige extrem abgeschreckt fühlen und Japan von ihrer Job-Wunschliste streichen, aber es gibt viele Leute die diese Hürden mit der richtigen Einstellung überwunden haben.

Hingabe vs Leistung

In Japan gibt es eine Art unausgesprochenen Gesellschaftsvertrag:

Jeder kann und soll es schaffen.

Deswegen sind in Japan alle Institutionen darauf ausgelegt, möglichst allen Gesellschaftsmitgliedern ein gutes Leben zu ermöglichen. Vom Kindergarten an, über Schule, Universität bis zu den Firmen, gibt es genormte Aufnahmeprüfungen, die im Grunde jeder mit viel Fleiß schaffen kann.

Je nach Prestige der Institution gestalten sich diese Tests mal als mehr oder weniger aufwendig. In der Praxis sieht das dann so aus, dass man sich im Vorfeld jeden Tag hinsetzt (mindestens ein Jahr bevor der Test überhaupt stattfindet) und möglichst viele Fakten auswendig lernt, um dann in der Prüfung bei Multiple Choice Aufgaben die richtigen Antworten anzukreuzen.

Es gibt zudem zig Literatur, die einem dabei hilft, die Tests zu bestehen und nach der Prüfung, darf man dann getrost alles wieder vergessen. Es werden also die erfolgreich, die am meisten Hingabe aufbringen können. Dieses Motiv zieht sich natürlich durch die gesamte Arbeitswelt.

In Japan arbeiten die Angestellten sehr viele Überstunden, wie wohl jedem bekannt ist, der sich kurz mit Japan beschäftigt hat. Diese Überstunden dienen dazu, der Firma die eigene “Hingabe” zu beweisen.

Wer jeden Tag 12 Stunden im Büro sitzt, der zeigt, wie sehr er sich für die Firma aufgibt. Diese Hingabe ist essentiell, um in der Firma und der eigenen sozialen Gruppe akzeptiert zu werden. Aus dem Grund bestehen Freundeskreise zumeist aus den engsten Kollegen, da man gar nicht die Zeit hat, um neue Leute kennen zu lernen.

Weniger wichtig im Arbeitsleben ist Leistung und Effizienz. Entscheidungs- und Arbeitsprozesse in japanischen Firmen sind sehr träge und unpraktisch, aufgrund der starren Hierarchie, Bürokratie und oftmals veralteter Technik und Firmenstrukturen. Gerade japanische Meetings sind dafür berüchtigt endlos zu sein und am Ende kein klares Ergebnis hervorzubringen.

All diese Dinge sorgen dafür, dass Japan wenig attraktiv für Ausländer ist und sich Japan damit schwertut, Ausländer in die Arbeitswelt zu integrieren.

Wege zum Job in Japan

Im Grunde gibt es verschiedene Wege, wie man in Japan Fuß fassen kann:

Erstens kann man es über internationale Firmen versuchen, wo sich der Bewerbungsweg nicht sehr viel von anderen Ländern unterscheidet.

Den Nachteil, den ich hier erlebt habe, ist jedoch, dass diese Firmen natürlich oftmals eine eierlegende Wollmilchsau suchen. Wer gerade von der Uni kommt, wird große Schwierigkeiten haben, die Anforderungen an Skills und Berufserfahrung zu erfüllen.

Die nächste Möglichkeit wäre der japanische Weg:

Bewerbungsprozesse sind bei japanischen Firmen bis ins kleinste Detail genormt. Alles, um jedem die gleiche Chance zu geben. Dazu geben sich Studenten im letzten Jahr ihres Studiums quasi exklusiv dem Bewerbungsmarathon hin.

Hier gewinnt auch wieder derjenige, der am meisten Hingabe aufbringen kann und sich am besten an die Regeln des Systems angepasst hat. Leistung wird hier eher weniger gefragt, denn die Firmen wissen, dass Studenten nicht viel können, wenn sie von der Uni kommen.

Deswegen werden neue Angestellte erstmal etwa ein halbes Jahr trainiert, bis sie so langsam einsatzbereit sind und einen Nutzen für die Firma haben.

Für Ausländer ist der japanische Weg wohl der Weg, der am schwierigsten zu gehen ist, da er ein tiefes kulturelles Verständnis und hervorragende Sprachkenntnisse voraussetzt. Manche würden sagen, dass dieser Weg gar unmöglich ist, aber ich kenne Leute, die es geschafft haben.

Denn das Versprechen Japans ist es ja, dass es jeder schaffen kann. Dazu muss man aber bereit sein die nötige Hingabe aufzubringen, um die japanische Kultur verstehen zu lernen und die Sprache flüssig zu beherrschen, in Wort und Schrift. Ausländer müssen also doppelt so viel Hingabe aufbringen, als der typische Japaner. Wer dazu bereit ist, wird auch in Japan sehr erfolgreich werden können.

Der letzte Weg ist der, etwas eigenes auf die Beine zu stellen und selbst eine Firma zu gründen.

Japan ist sehr wirtschaftsfreundlich und eine Firma lässt sich auch mit wenig (oder gar ohne) Startkapital gründen und Steuern muss man erst abführen, wenn man wirklich profitabel ist.

Da Japan bei Start-ups nicht gerade an der Spitze der beliebtesten Ländern steht, wenn es darum geht eine Firma zu gründen, ist Japan noch eine Art “unbeackertes fruchtbares Feld”.

Die Andersartigkeit von Ausländern, die einem die Jobsuche erschwert, kann einem nun hilfreich werden, wenn man ein eigenes Business starten will. Da japanische Firmen oftmals dieselben Methoden haben und seit Jahrzehnten dieselben Wege gehen, kann man mit neuen Ideen umso mehr punkten.

Wer also mit den starren Hierarchien in japanischen Firmen Probleme hat, kann so seine eigenen Regeln machen und mehr Diversität nach Japan bringen.

Fazit

Wer nach Japan kommen will, sollte sich im Vorfeld sehr gut überlegen, wie viel Hingabe er bereit ist zu leisten. Doch wer es versucht, kann ein interessantes berufliches Abenteuer erleben. Und wer es in Tokyo schafft, der schafft es überall.

Über den Autor: 

Denny Sachs lebt seit über zwei Jahren in Tokyo und arbeitet für ein tokyoter Start-up, das die deutsch-japanische Restaurantkette „SCHMATZ BEER DINING“ gegründet hat, im Bereich Restaurant-Management und Social Media-Coordination. Online findet man ihn unter dem Titel „Tokyo, der Moloch und Ich“, seinem Blog und seiner Facebook Page.
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